Simon Bein berichtet von der gemeinsamen Fachtagung der politikwissenschaftlichen Vereinigungen aus Deutschland (DVPW), Österreich (ÖGPW) und der Schweiz (SVPW), welche vom 29. September bis 01. Oktober 2016 unter dem Titel „Regionalismus in einer entgrenzten Welt“ an der Universität Heidelberg stattfand. An den drei Tagen wurden von acht Sektionen insgesamt über 50 Panels organisiert.
Der inoffizielle Teil begann ausschließlich für Mitglieder der DVPW bereits am Donnerstagnachmittag, wo in der Mitgliederversammlung eine neue Satzung verabschiedet werden sollte. Die letztjährige Tagung der DVPW an der Uni Duisburg-Essen sorgte über das Fachpublikum hinaus für einige Aufmerksamkeit, da es der Vereinigung nicht gelungen war, einen neuen Vorstand zu wählen. Sowohl das Thema, „Vorsicht Sicherheit!“, als auch die Wahl des Vorstandes führten zu zahlreichen intensiv geführten Debatten und Unstimmigkeiten innerhalb der Vereinigung. Auf der Mitgliederversammlung wurde Prof. Michael Zürn zum Vorsitzenden gewählt und trat noch in der gleichen Nacht wieder zurück, da er die notwendige Neuausrichtung der DVPW mit der personellen Besetzung des Vorstandes nicht für möglich erachtete. So war bis zur diesjährigen Tagung in Heidelberg nur ein geschäftsführender Vorstand kommissarisch im Amt. Dort stand die neu ausgearbeitete Satzung nun zur Abstimmung, welche erstmalig auch online durchgeführt werden konnte und so eine höhere Wahlbeteiligung erzielt werden konnte. 959 Mitglieder, von derzeit 1765 Mitgliedern, haben mit Ja und 9 Mitglieder mit Nein gestimmt, also wurde die neue Satzung angenommen. Ein Bestandteil derer wird die Umbenennung ab 1. Januar 2017 in die Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft sein.
Nach diesem mitgliederinternen Auftakt stand am Donnerstag außerdem noch der wissenschaftliche Nachwuchs auf dem Programm. Zwischen drei verschiedenen Nachwuchspanels konnte die Wahl getroffen werden: ein Dialogcafè zum Thema Politikwissenschaft als außeruniversitäre Praxis; eine Podiumsdiskussion über die Möglichkeiten wissenschaftlichen Publizierens in Fachzeitschriften; sowie ein hochschulpolitisches Vernetzungstreffen. Ich entschied mich für die Veranstaltung zum wissenschaftlichen Publizieren. Dort stellten sich Vertreter der Swiss Political Science Review, der Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft sowie der Politischen Vierteljahresschrift den Fragen der Moderatorin Prof. Annette Elisabeth Töller und des Publikums. Zunächst wurden die Qualitätskriterien für einen guten Aufsatz erörtert. Drei maßgebliche Punkte sind dabei herausgekommen. Erstens muss das Thema des Aufsatzes einen neuen Erkenntnisgewinn für das wissenschaftliche Zielpublikum erbringen. Zweitens sollte der Aufsatz den formalen Vorgaben des Journals genügen und drittens das Ergebnis klar auf den Nenner gebracht haben. Zuvor müsse allerdings beachtet werden, dass man seinen Aufsatz auch bei der thematisch passenden Zeitschrift einreicht. Im Verlauf wurde über die Notwendigkeit interdisziplinärer Forschung diskutiert. Die Essenz daraus lautet, dass wissenschaftlicher Nachwuchs interdisziplinäre Forschung (noch) nicht zu empfehlen sei, sondern eher in der Rolle des etablierten Wissenschaftlers durchgeführt werden könne. Empfohlen wird, den Fokus klar auf ein Fach zu legen und die Anschlussfähigkeit des Themas an weitere Disziplinen zu betonen. Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt des Workshops war die Frage der Sprache. Soll man überhaupt noch Artikel auf Deutsch schreiben, wenn viele Journals mittlerweile auch englische Artikel in ihre Ausgaben aufnehmen? Adrian Vatter von der Swiss Political Science Review erklärt, dass dort bereits 95 Prozent der Beiträge in englischer Sprache erscheinen. Die Tendenz gehe eindeutig in den englisch-sprachigen Raum. Ob dies jedoch zwangsläufig gut sei, war sich das Podiums uneins. Es sollte nach wie vor möglich sein, beispielsweise spezifisch deutsche Fragen in Journals zu diskutieren und die dazugehörigen Beiträge in deutscher Sprache zu publizieren. Die Experten empfahlen dem Nachwuchs, einen Mittelweg zu gehen, da englische Publikationen für die wissenschaftliche Karriere wichtig sind. Prof. Hans-Joachim Lauth betonte abschließend nachdrücklich, dass englische Artikel keine Übersetzung des deutschen Papers sind, da sich die Kriterien an das wissenschaftliche Schreiben und der Blickwinkel des Forschungsstandes zwangsläufig ändern. Des Weiteren wurden Fragen zur Bedeutung des Citation-Index und dem Umgang mit Ablehnung und schlechten Gutachten diskutiert. Für jeden, der Ambitionen auf einen weiteren wissenschaftlichen Weg hat, war dieser Workshop durchaus lehrreich.
Am Abend fand die offizielle Eröffnung und Begrüßung der Kongressteilnehmer in der Neuen Aula der Universität statt. Mit einer humorvollen und kurzweiligen Rede über den Regionalismus in der Region Kurpfalz und die ewige Konkurrenz zwischen Mannheim und Heidelberg eröffnete Michael Haus, Professor für Moderne Politische Theorie an der Universität Heidelberg und lokaler Organisator, die Abendveranstaltung. Eine besondere Begrüßung bekam Klaus von Beyme, der als einer der Gründungsväter der deutschen und wichtige Figur der Heidelberger Politikwissenschaft große Bedeutung für das Fach besitzt. Neben einer weiteren Begrüßung durch den geschäftsführenden Vorstand der DVPW (Prof. Armin Schäfer) und der Keynote von Professor Söderbaum der Universität Göteburg bekam auch ein Vertreter der Stadt Heidelberg das Wort. Dieser äußerte den Wunsch, dass die Ergebnisse dieser Tagung zu den wichtigen Fragen der aktuellen Zeit den Eingang in die Medien und die öffentliche Diskussion finden mögen. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht nur ein frommer Wunsch eines Außenstehenden bleibt. Zum Abschluss des Tages fand ein gemütlicher Empfang statt.
Am Freitag und Samstag konnte der Besucher sich zwischen über 50 verschiedenen Panels entscheiden und Vorträge zu den verschiedensten Themen besuchen. Nicht immer war dabei der Bezug zum Tagungsthema offensichtlich. Viele Panels waren durchaus anspruchsvoll besetzt und es entwickelten sich angeregte Diskussionen über methodische und inhaltliche Verbesserungen der vorgestellten Papiere. Zwischen den Panels konnte an den Ständen von Springer Verlag, Nomos, Barbara Budrich, Gesis und weiteren fleißig ‚genetzwerkt’ werden und auch die Flyer der DNGPS und der Call for Papers zur Fachtagung 2017 lagen aus. Am Freitagabend wurden von der Sektion Vergleichende Politikwissenschaft die zwei Nachwuchswissenschaftler Dorothea Keudel-Kaiser und Johannes Gerschewski mit dem „Gero-Erdmann-Preis für vergleichende Area-Forschung“ für die besten Dissertationsschriften 2013/2014 ausgezeichnet. Johannes Gerschweski untersuchte die Stabilitätsbedingungen von Autokratien in Ostasien und Dorothea Keudel-Kaiser hatte die Regierungsbildung in Mittel- und Osteuropa als Forschungsgegenstand. Anschließend fand eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Quo Vadis Europa? Rechte Populisten und Extremisten auf dem Vormarsch“ statt, deren Thema nicht aktueller hätte sein können. Unter der Moderation von Rolf Frankenberger und Steffen Kailitz diskutieren Ursula Birsl, Adrian Vatter und Daniel Stockemer über Erfolgsbedingungen und Gefahren rechter und rechtspopulistischer Parteien in Europa. Zum einen bleibt zu erwähnen, dass es nach wie vor den meisten Berichten zu diesem Thema über eine scharfe Abgrenzung der Begrifflichkeiten Rechtspopulismus und Rechtsextremismus mangelt. Zum anderen wurde deutlich, dass neben den Erfolgen dieser Parteien auch über die Schwäche der etablierten Parteien diskutiert werden muss. Es entwickelte sich eine spannende Debatte, in welche die Vortragenden ihre Expertise aus Länderbeispielen wie unter anderem der Schweiz, Österreich und Frankreich einbringen konnten.
Insgesamt waren es drei sehr spannende Tage, mit teilweise sehr stark methodisch geprägten Panels, interessanten Pausengesprächen und einer guten Möglichkeit, erste Eindrücke in den politikwissenschaftlichen Betrieb und die scientific community zu gewinnen.