Von Steffen Schwardmann, Universität Kassel
Das achte Kolloquium des Nachwuchsnetzwerkes für Politische Kommunikation fand vom 24. bis zum 25. Juni 2016 an der Universität Kassel statt. Eingeladen hatten Sascha Kristin Futh, Mitarbeiterin des Fachgebiets Politisches System der BRD – Staatlichkeit im Wandel und Eike Ortlepp, Mitglied des Netzwerkes. Auch dieses Mal haben sich NachwuchswissenschaftlerInnen der Politik- und Kommunikationswissenschaften versammelt, um gemeinsam über ihre Forschungsarbeiten in Form von Aufsätzen, Bachelor-, Master-, Magisterarbeiten oder Dissertationen zu diskutieren. Die Veranstaltung dient darüber hinaus zur weiteren Vernetzung der WissenschaftlerInnen. Die wissenschaftlichen Beiträge wurden eingeteilt in die vier Panels: „Kommunikation im Wahlkampf“, „Journalismus und Medien“, „Kommunikation in den industriellen Beziehungen“ und „Politische Kommunikation in internationaler Perspektive.“ Als DiskussionsleiterInnen agierten Prof. Dr. Ulrich Sarcinelli, Dr. Wolfgang Storz, Dr. Samuel Greef und Prof. Dr. Sabine Ruß-Sattar.
Zu Beginn wurden der Campus und die Geschichte der Universität kurz erläutert. Die Gebäude des Hauptcampus sind besonders, da sie im 19. und 20. Jahrhundert von der Firma Henschel zur Herstellung von Maschinen und Fahrzeugen verwendet wurden. Während der nationalsozialistischen Zeit wurde dort Kriegsmaterial hergestellt, welches im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde. Das Kunstwerk „die Rampe“ oberhalb der Moritzstraße erinnert heute an die Unmenschlichkeit des NS-Regimes und weist auch darauf hin, dass die Universität Kassel für kritische Wissenschaft steht. Die Tagung fand auch im neuen Campus Center statt, in dem mehrere neue Hörsäle und Seminarräume eingegliedert sind.
Den Beginn des ersten Panels machte Björn Klein (Universität Düsseldorf) mit seiner Dissertation, in der er untersuchen möchte, inwiefern Wahlumfragen, die vor den Bundestagswahlen 2009 und 2013 veröffentlicht wurden, die Politikberichterstattung beeinflussen. Der direkte Einfluss auf Wähler ist bereits relativ gut erforscht, weshalb in der Arbeit der indirekte Einfluss von Wahlumfragen auf die Politikberichterstattung behandelt wird. Die Grundlage der Dissertation sind Datensätze der German Longitudinal Election Study (GLES) für die Bundestagswahlkämpfe 2009 und 2013, die sich aus Mediensamples der wichtigsten deutschen Massenmedien zusammensetzen. Außerdem wurden Umfragedaten der Bundestagswahlen vor dem Wahltermin von führenden Umfrageinstituten herangezogen. Zur Annäherung der Forschungsfrage wurde ein analytischer Kausalnachweis mit Zeitreihenanalysen durchgeführt. Dadurch kann ein Kausalzusammenhang zwischen der Medienberichterstattung und den Ergebnissen der Wahlumfragen nahegelegt werden.
Lucas Seeber (Universität Bamberg) untersucht in seinem Aufsatz die Wahlkampfkommunikation des Homo oeconomicus anhand der vier Grundbedingungen kommunikativen Handelns: Eigeninteresse, knappe Ressourcen, eingeschränkte Rationalität und Präferenzen & Restriktionen des Modells rationaler Wahlkampfkommunikation. Das Untersuchungsobjekt war die CDU-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz, die kurz vor dem bevorstehenden Landtagswahlkampf stand. In der Arbeit wurde eine Methodentriangulation vorgenommen, um im Methodenmix die Vorteile quantitativer und qualitativer Verfahren zu verbinden. Quantitativ wurde eine standardisierte Befragung mit einem Fragebogen durchgeführt. Qualitativ wurde mit mehreren PolitikerInnen ein Experteninterview geführt. Empirisch konnte so die rationale Wahlkampfführung bestätigt werden, denn das Experteninterview und die standardisierte Befragung zeigten deutlich, dass das Ziel, den Wahlkampf zu gewinnen, überwiegt.
Im letzten Beitrag des Panels untersucht Simon Kruschinski (Universität Mainz) die Diffusion von Wahlkampfinstrumenten anhand des Haustürwahlkampfes der Landtagswahlen 2014 in Thüringen. Um zu untersuchen, inwiefern der Haustürwahlkampf in der Bundesrepublik an Bedeutung gewinnt, werden als Grundlage die Ergebnisse einer qualitativen Befragung von Wahlkampfexperten und einer quantitativen Befragung von Wahlkampfhelfern herangezogen. Diese Ergebnisse wurden mit der US-amerikanischen Forschungsliteratur abgeglichen. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass befragte Wahlkampfstrategen dem Haustürwahlkampf eine große Bedeutung beimessen. Das persönliche Kommunikationsmittel sei ideal, um NichtwählerInnen zu erreichen und sie zum Wählen zu mobilisieren.
Im zweiten Panel wurden zwei Abschlussarbeiten vorgestellt, die sich mit dem Journalismus in Österreich befassen. In Andreas Riedls (Universität Wien) Magisterarbeit, welche noch nicht abgeschlossen ist, geht es um demokratietheoretisch abgeleitete Selbstverständnisse österreichischer JournalistInnen. Er bezieht sich bei der Untersuchung der Selbstbilder auf das liberal-repräsentative, deliberative und das partizipatorische Modell Josef Seethalers. Durch die Analyse von Befragungsdaten über die professionelle Orientierung und dem Rollenverständnis von JournalistInnen soll untersucht werden, welche Selbstverständnisse den österreichischen Journalismus prägen.
Im zweiten Vortrag stellt Christiane Mayer (Fachhochschule St. Pölten) ihre Bachelorarbeit zum Thema Intermedia-Agenda-Setting österreichischer Tageszeitungen vor. Durch eine Inhaltsanalyse von jeweils zwei österreichischen Qualitäts- und Boulevardzeitungen sollte untersucht werden, ob sich die Tageszeitungen in ihrer Politikberichterstattung wechselseitig beeinflussen. Die Arbeit stellt fest, dass die untersuchten Qualitätszeitungen nur in geringem Maße die Themenagenda der Boulevardzeitungen übernehmen. Geringe Bottom-Up verlaufende Intermedia-Agenda-Setting-Effekte treten also auf.
Nach der folgenden Diskussion und einer kurzen Pause konnten die TeilnehmerInnen des Kolloquiums gemeinsam in einem italienischen Restaurant zu Abend essen und den ersten Tag informell angenehm ausklingen lassen. Der Großteil der Teilnehmenden nahm dies wahr und so war es möglich, sich weiter auszutauschen und untereinander zu vernetzen.
Am zweiten Tag des Kolloquiums beginnt das dritte Panel mit der Forschungsarbeit von Hendrik Simon (Universität Frankfurt), in der er herausfinden möchte, wie Tarifkonflikte kommunikationstheoretisch betrachtet werden können. Dazu untersucht er Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie bei Ergänzungstarifverträgen anhand von mehreren Unternehmen der Branchen. Tarifverhandlungen wurden durch eine teilnehmende Beobachtung erfasst und mittels narrativer Interviews die Rollen der einzelnen Konfliktparteien herausgearbeitet. Zum Zeitpunkt des Vortrages ist das Projekt noch nicht abgeschlossen. Es wird um eine transnationale Perspektive erweitert. Ein politischer Mehrebenenkonflikt kann festgehalten werden. Vor allem wird der Konflikt in den Diskursebenen Kapital und Arbeit, beziehungsweise Gewerkschaft und Arbeitgeber ausgetragen. Die Verhandlung findet allerdings auch innerhalb der Ebene des Arbeitgebers statt. Dort können Konflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitgeberverband, als auch zwischen intern konkurrierenden Parteien des Arbeitgebers auftreten. In den narrativen Interviews wurde deutlich, dass die Seite der Arbeitgeber besonders technisch-, ökonomisch- und faktenorientiert verhandelt. Die Öffentlichkeit wird als Gefahr angesehen. Auf der anderen Seite verhandeln Angestellte mitgliederorientiert. Beide Gruppen empfinden besonders das Vertrauensverhältnis und ein gutes Verhandlungsklima als notwendige Voraussetzungen einer erfolgreichen Verhandlung.
Im zweiten Vortrag behandelt Sascha Kristin Futh (Universität Kassel) die Frage nach dem Verhalten von Gewerkschaften als Kommunikationsakteur in einer Gesellschaft, die stetig medialisierter wird. In dem Zusammenhang wurden die drei Kampagnen „Samstags gehört Vati mir“, „35-Stunden-Woche“ und „Mindestlohn“ der Gewerkschaften DGB, IGM und ÖTV, beziehungsweise ver.di mithilfe von Experteninterviews und Dokumentenanalysen durchleuchtet. Das Analyseraster der Kampagnenfähigkeit wurde angelehnt an das Strategiekonzept von Joachim Raschke und Ralf Tils, da es sich bei Kampagnen um eine Form der strategischen Kommunikation handelt. Das angepasste Analyseraster unterteilt sich in folgende Einheiten: gesellschaftliche Rahmenbedingungen, zentrale Akteure, Ziele und Umsetzung. Es wird festgestellt, dass frühere Kampagnen auf die Beteiligung der Mitglieder setzten. Der Zugang zu den Medien wird durch die Ausdifferenzierung der Medienlandschaft schwerer. Bei den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist die öffentliche Meinung entscheidend für eine erfolgreiche oder massenwirksame Kampagne. Die führenden Akteure einer Kampagne sind idealerweise Personen in Führungspositionen. Für eine erfolgreiche Kampagne bedarf es dem Einbezug vieler Leistungsgremien. Ausreichende Ressourcen sind von zentraler Bedeutung, da Kampagnen häufig hohe finanzielle Mittel benötigen, um eine Vielzahl an Personen zu mobilisieren. Umgesetzt wird die Kampagne durch eine breite Bewerbung und wird begünstigt durch gesellschaftliche Bewegung.
Die Tagung endet im letzten Panel durch Pero Dosenovic (Universität Münster), der empirisch die unterschiedliche mediale Resonanz des Outside Lobbying zu den zwei Freihandelsabkommen CETA und TTIP untersucht hat. Outside Lobbying wird von Organisationen genutzt, die keinen direkten Zugriff zu politischen Akteuren haben. Sie können durch den Einfluss der Massenmedien die Bürger beeinflussen und so Druck auf politische Akteure ausüben. Das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) erhält im Vergleich zu dem umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union mehr Aufmerksamkeit, obwohl bei CETA ähnliche Inhalte beschlossen werden sollen. Durch eine quantitative Inhaltsanalyse zu Pressemitteilungen von relevanten Interessengruppen und Presseberichten der drei überregionalen Qualitätszeitungen Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt wurde gezeigt, dass neben der Presseberichterstattung, auch die strategische Kommunikation auf TTIP fokussiert ist. Auf CETA beziehen sich häufiger wenig etablierte Gruppen wie Campact oder attac. Wirtschaftsverbände richten ihre Aufmerksamkeit besonders auf TTIP.
Selbst als Teilnehmender des Kolloquiums, der keine Forschungsarbeit vorgestellt hat, ist es sehr interessant, bei der Besprechung dieser dabei zu sein. In vielen Fällen hatten die NachwuchswissenschaftlerInnen und ExpertInnen das Bedürfnis, Verbesserungsvorschläge einzubringen oder Unklarheiten aufzuklären. Dies erweckt den Eindruck, dass es die „perfekte wissenschaftliche Arbeit“ nicht gibt. Grundsätzlich kann ein Kolloquium jedem helfen, der vor seinem Studienabschluss steht, da andere NachwuchswissenschaftlerInnen und ExpertInnen eine andere Perspektive haben und durch den Austausch neue Anreize für eine Überarbeitung gegeben werden können.